Mit der verwaltungsrechtlichen Normenkontrolle können Rechtsnormen, die keinen Gesetzescharakter haben, gerichtlich überprüft werden.
Die verwaltungsrechtliche Normenkontrolle ist dabei der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz sowie der bayerischen Popularklage sehr ähnlich. Sie ermöglicht es Bürgern, allgemeine Rechtsnormen und nicht nur an ihn persönlich gerichtete behördliche Entscheidungen anzufechten.
Die Regelungen hierzu sind in § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) niedergelegt.
Dieser Paragraph ist jedoch alles andere als selbsterklärend. Häufige Fragen sollen daher hier auf diese Weise erläutert werden.
Welche Normen können mit der Normenkontrolle angefochten werden?
§ 47 Abs. 1 VwGO erklärt baurechtliche und untergesetzliche Landesnormen für anfechtbar, soweit das Landesrecht dies vorsieht:
Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit
1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2. von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
In welchen Ländern ist die Normenkontrolle möglich?
Soweit es nicht um die in Abs. 1 Nr. 1 aufgezählten baurechtlichen Normen geht, ist die Normenkontrolle nur statthaft, wenn das Landesrecht dies ausdrücklich vorsieht. Momentan haben 13 von 16 Bundesländern davon Gebrauch gemacht. Dies sind:
- Baden-Württemberg (§ 4 BWAGVwGO)
- Bayern (Art. 5 BayAGVwGO)
- Brandenburg (§ 4 Abs. 1 BrandVwGG)
- Bremen (Art. 7 BremAGVwGO)
- Hessen (§ 15 HessAGVwGO)
- Meckenlenburg-Vorpommern (§ 13 MVAGGStrukG)
- Niedersachen (§ 7 NdsVwGG)
- Rheinland-Pfalz (§ 4 RhPfAGVwGO – Rechtsverordnungen sind hier ausgenommen)
- Saarland (§ 18 SaarlAGVwGO)
- Sachsen (§ 24 Abs. 1 SächsJG)
- Sachsen-Anhalt (§ 10 SAAGVwGO)
- Schleswig-Holstein (§ 5 SHAGVwGO)
- Thüringen (§ 4 ThprAGVwGO)
Nicht möglich ist diese Normenkontrolle somit in:
- Berlin
- Hamburg
- Nordrhein-Westfalen
Normen des Bundesrechts sind von vornherein aus dem Anwendungsbereich von § 47 VwGO ausgeschlossen.
Was ist Prüfungsmaßstab der Normenkontrolle?
Die angefochtene Norm muss an sämtlichen höherrangigen Rechtsnormen geprüft werden, also in erster Linie an Gesetzen sowie an der Landesverfassung und am Grundgesetz. Soweit jedoch die verfassungsrechtliche Prüfung ausschließlich dem Verfassungsgericht des Landes obliegt, scheidet die Normenkontrolle insoweit aus.
Was entscheidet das Oberverwaltungsgericht dann?
Ist die Normenkontrollklage zulässig und begründet, dann spricht das Gericht aus, dass die angegriffene Rechtsnorm nichtig ist. Das bedeutet dann, dass diese aufgehoben wird und nicht mehr angewandt werden darf.
Sind nur bestimmte Aspekte der Norm nichtig, so spricht das Gericht aus, dass die Nichtigkeit nur insoweit vorliegt oder die Norm lediglich mit bestimmten Einschränkungen angewandt werden darf. Das Oberverwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsgerichtshof ist insoweit relativ frei in seiner Entscheidung.
Mit welchen Kosten muss ich rechnen?
Die Anwaltskosten für die Normenkontrolle sind vom Aufwand abhängig und liegen in der Regel bei 4.000 bis 12.000 Euro zzgl. Mwst. Sie erhalten nach einer kostenlos und unverbindlichen Prüfung Ihrer Angelegenheit ein Angebot für einen Pauschalpreis. Wenn Sie diesen akzeptieren, wird eine Vergütungsvereinbarung geschlossen.
Die Gerichtskosten sind vom Streitwert abhängig, also davon, welche Bedeutung das Gericht dieser Rechtsnorm beimisst. Häufig werden 10.000 Euro angenommen, die Gerichtskosten betragen dann ca. 1700 Euro.
Kann ich den Antrag auch ohne Rechtsanwalt stellen?
Nein, vor dem Oberverwaltungsgericht bzw. dem Verwaltungsgerichtshof besteht Anwaltszwang (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Dies gilt nicht nur für die mündliche Verhandlung, sondern auch bereits für die Antragstellung.
Kann gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ein Rechtsmittel eingelegt werden?
Prinzipiell schon, gemäß § 132 Abs. 1 VwGO ist die Revision gegen Urteile und Normenkontrollbeschlüsse des Oberverwaltungsgerichts/Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Allerdings prüft das Bundesverwaltungsgericht nur Verstöße gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Häufig wird ein solcher nicht vorliegen, wenn es ausschließlich um landesrechtliche Fragen geht. Dies muss also im Einzelfall genau geprüft werden.
Wie lange dauert das Verfahren?
Das kommt auf die Komplexität der Materie und auf die momentane Auslastung des Gerichts an. Ein Zeithorizont von zwölf bis achtzehn Monaten ist normalerweise realistisch.
Kann man die Entscheidung auch beschleunigen?
In eiligen Fällen kann ein Eilantrag (§ 47 Abs. 6 VwGO) gestellt werden. Dann trifft das Gericht, häufig innerhalb weniger Tage, eine vorläufige Eilentscheidung und erlässt ggf. eine einstweilige Anordnung.
Ist ein Eilantrag auch ohne Hauptsacheantrag zulässig?
Nach herrschender Meinung ja, mir sind auch bislang keine Entscheidungen bekannt, die dies abgelehnt hätten.
Dafür wird § 80 Abs. 5 Satz 2 in § 47 Abs. 6 VwGO „hineingelesen“. Dies bestätigt auch die Literatur, die führenden Kommentare Kopp/Schenke (§ 47, Rdnr. 156) und Sodan (§ 47, Rdnr. 386) sehen das ebenso und stützen sich ihrerseits auf zahlreiche andere Literaturmeinungen.
Kann gegen die Eilentscheidung Beschwerde eingelegt werden?
Nein, dies ist nach ganz herrschender Meinung nicht möglich. Der Ausschluss der Beschwerde gemäß § 152 Abs. 1 VwGO gilt auch im Normenkontrollverfahren.