UN-Individualbeschwerde

Auch die Vereinten Nationen kümmern sich um Menschenrechte und stellen spezielle Beschwerdeverfahren zur Verfügung.
Auch die Vereinten Nationen kümmern sich um Menschenrechte und stellen spezielle Beschwerdeverfahren zur Verfügung.
Mit der UN-Individualbeschwerde können Verletzungen von individuellen Rechten aus den verschiedenen Menschenrechts-Übereinkommen der Vereinten Nationen geltend gemacht werden.

Diese rechtliche Möglichkeit ist sowohl in der Bevölkerung als auch in der juristischen Fachwelt kaum bekannt und wird in der Regel nicht als wirkliche Option begriffen. Ganz außer acht lassen sollte man sich sie jedoch nicht.

Im Gegensatz zur Verfassungsbeschwerde und zur EMRK-Beschwerde handelt es sich dabei aber nicht um ein Gerichtsverfahren, sondern um eine Beschwerde darüber, dass der Staat seine eingegangenen Verpflichtungen aus internationalen Übereinkommen nicht erfüllt. Das zuständige Gremium der Vereinten Nationen entscheidet dann keinen Rechtsstreit, sondern prüft, ob eine Vertragsverletzung vorliegt. Die Entscheidung der Grundfrage, ob der Staat rechtlich korrekt gehandelt hat, rückt dieses Verfahren freilich doch wieder in die Nähe eines Gerichtsprozesses.

Individualbeschwerde dient Menschenrechtsschutz

Individualbeschwerdeverfahren sind in der Bundesrepublik derzeit für folgende Abkommen möglich:

  • Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt, IPbpR)
  • Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BRK)
  • Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (UN-Antifolterkonvention)
  • Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD)
  • Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)

Diese Übereinkommen lege jeweils Rechte der Bürger fest, die den Grundrechten des Grundgesetzes und den Menschenrechten aus der EMRK sehr ähnlich sind. Dementsprechend ist die Begründung einer UN-Beschwerde im Endeffekt nicht viel anders als die einer Verfassungsbeschwerde nach deutschem Rechte.

Vorrang des nationalen Rechtswegs

Bevor eine Individualbeschwerde zu einem Gremium der Vereinten Nationen erhoben werden kann, muss grundsätzlich der gesamte nationale Rechtsweg beschritten werden. Dies schließt zum einen die Fachgerichtsbarkeit (Zivilgerichte, Strafgerichte, Verwaltungsgerichte), zum anderen aber auch die schon genannte Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht mit ein. Die UNO beschäftigt sich also erst mit einem Anliegen, wenn man zuvor versucht hat, die vermeintliche Rechtsverletzung vor den zuständigen Gerichten zu beseitigen.

Weil aber die UN-Rechte den deutschen Grundrechten so ähnlich sind, ist dies auch fast immer möglich. Praktisch alles, was man in der UN-Beschwerde vorbringen kann, kann auch zuvor der Begründung der Verfassungsbeschwerde dienen. Außerdem sind die untergeordneten deutschen Gerichte bereits verpflichtet, die Grundrechte anzuwenden. Man muss also nicht in jeder Instanz neue rechtliche Punkte finden, sondern kann die Argumente aus den vorhergehenden Verfahren übernehmen und anpassen.

Wichtig ist dabei auch, dass der Rechtsweg ordnungsgemäß beschritten wurde. Es reicht also nicht, ein Rechtsmittel „irgendwie“ einzulegen, sondern dies muss auch in zulässiger Art und Weise geschehen sein. Wurde bspw. die Berufung nicht korrekt begründet oder wurde hier eine Frist versäumt, konnte das zuständige Gericht diese nicht inhaltlich prüfen. Das bedeutet dann, dass der Rechtsweg tatsächlich nicht richtig durchgegangen wurde. Eine Individualbeschwerde ist daher unzulässig.

Erhebliche Formalitäten

Die Individualbeschwerde muss – wie die Verfassungsbeschwerde und ähnliche Rechtsbehelfe auch – gut begründet sein. Insbesondere ist es notwendig, dem UN-Gremium alle Informationen zukommen zu lassen, damit dieses den Sachverhalt und die rechtlichen Rahmenbedingungen nachvollziehen und auch nachprüfen kann. Daher müssen alle Unterlagen, am besten die Gesamtakten des Verfahrens über alle Instanzen, vorgelegt werden.

In der Regel gibt es keine Vorschriften darüber, in welcher Sprache die Beschwerde geschrieben sein muss. Um den Aufwand und damit die Kosten im Rahmen zu halten, hat es sich bewährt, die Beschwerde auf deutsch zu verfassen. Damit können Passagen aus den Schriftsätzen übernommen und Zitate aus den Urteilen kopiert werden. Um zugleich dem zuständigen Sachbearbeiter, der der deutschen Sprache nicht unbedingt mächtig ist, eine erste Prüfungsmöglichkeit zu eröffnen, hat es sich bewährt, eine englische Zusammenfassung voranzustellen.

UN-Individualbeschwerde kommt nicht immer in Frage

Beachten muss man auch, dass EMRK-Beschwerden und UN-Beschwerden nicht kombinierbar sind. Man kann also nicht zugleich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und ein Beschwerdegremium der Vereinten Nationen in derselben Sache einschalten, sondern muss sich für eine dieser beiden Möglichkeiten entscheiden. Welcher Ansatz jeweils der bessere ist, lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern nach Prüfung des Einzelfalls entschieden werden.

Auch, wenn mittlerweile fast alle Staaten Mitglied der UNO sind, muss bei Individualrechten genau geschaut werden, in welchem Staat welche Verträge anwendbar sind.
Auch, wenn mittlerweile fast alle Staaten Mitglied der UNO sind, muss bei Individualrechten genau geschaut werden, in welchem Staat welche Verträge anwendbar sind.
Andere Menschenrechtsverträge wie die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (UN-Wanderarbeiterkonvention) oder der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt, IPwskR) sehen zwar ebenfalls die Möglichkeit der freiwilligen Ermöglichung von Beschwerdeverfahren vor (sog. Fakultativprotokolle), wurden aber von der Bundesrepublik noch nicht ratifiziert.

Auf diese kann man sich also (jedenfalls derzeit) noch nicht stützen. Eine damit begründete UN-Individualbeschwerde wäre unzulässig. Allerdings kann sich dies oft recht schnell ändern, wenn die Bundesrepublik das entsprechende Abkommen und Fakultativprotokoll doch noch annimmt. Dies muss man also ggf. kurzfristig überprüfen.

Rechtsanwalt Thomas Hummel vertritt Ihre UN-Beschwerde

Der Tätigkeitsschwerpunkt der Kanzlei Abamatus liegt im Bereich der Grundrechte und der Menschenrechte. Neben den Hauptgebieten der Verfassungsbeschwerde und der EMRK-Beschwerde werden aber immer wieder auch UN-Individualbeschwerden durch Rechtsanwalt Thomas Hummel und seine Mitarbeiter bearbeitet.

Wenn Sie über die Einreichung einer solchen Beschwerde nachdenken, können Sie jederzeit mit der Kanzlei Kontakt aufnehmen. Gerne dürfen Sie uns auch – kostenlos und unverbindlich – die Unterlagen Ihres Verfahrens zusenden, um eine erste Prüfung zu ermöglichen, ob eine UN-Individualbeschwerde in Frage kommt und auch erfolgversprechend und sinnvoll ist.

Die Kosten einer Beschwerde sind sehr stark vom jeweils notwendigen Aufwand abhängig. Grundsätzlich müssen Sie mit einigen tausend Euro rechnen. Diese werden Ihnen leider – auch im Falle eines Erfolges der Beschwerde – nicht durch den Staat ersetzt.

Mehr Informationen:

(Letzte Aktualisierung: 12.07.2021)

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