Gehörsverletzung durch Nichtbeachtung von Parteivortrag
Ist davon auszugehen, dass das Gericht solchen Parteivortrag nicht beachtet hat, kann eine Verfassungsbeschwerde hierauf gestützt werden.
Vor einer Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs ist eine Anhörungsrüge in aller Regel zwingend. Über die Anhörungsrüge entscheidet das Gericht, dem man die Gehörsverletzung unterstellt. Das Gericht hat also die Möglichkeit, seine eigene Entscheidung darauf zu überprüfen, ob es möglicherweise Vortrag übersehen hat und sein Urteil korrigieren muss. Dieses Verfahren soll die Verfassungsgerichte entlasten und die Selbstkontrolle der Gerichte stärken.
Die Anhörungsrüge zielt aber ausschließlich auf Gehörsverletzungen. Ob das Gericht andere Grundrechte oder das anzuwendende Fachrecht verletzt hat, kann und darf es nicht überprüfen.
In den allermeisten Fällen ist die Anhörungsrüge erfolglos. Kaum jemals wird ein Gericht einräumen, dass es die Schriftsätze oder die mündlichen Einlassungen einer Partei nicht ausreichend beachtet oder nur oberflächlich berücksichtigt hat. Seit die Anhörungsrüge vor ca. 15 Jahre eingeführt wurde, sind bundesweit und aus allen Gerichtsbarkeiten gerade einmal eine Handvoll positiver Entscheidungen bekannt. Man muss also in aller Regel trotzdem die Verfassungsbeschwerde einlegen, die Anhörungsrüge ist nur ein lästiges Übel.
Die Anhörungsrüge gehört aber aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts noch zum Fachrechtsweg und wird teilweise als „letztes Rechtsmittel“ vor der Verfassungsbeschwerde angesehen. Sie muss also unbedingt ergriffen werden und kann nicht einfach übersprungen werden, weil man sie eh für sinnlos hält.
Für jeden Aspekt, den das Gericht angeblich nicht beachtet hat, sollte detailliert dargelegt werden:
- Wo wurde das vorgetragen?
- Woraus ergibt sich, dass das Gericht das nicht beachtet hat?
- Warum wäre die Entscheidung anders ausgefallen, wenn das Gericht das beachtet hätte?
Anhörungsrüge nimmt Verfassungsbeschwerde vorweg
Allerdings empfiehlt es sich meist, Anhörungsrüge und Verfassungsbeschwerde parallel zu erheben. Denn wenn sich herausstellt, dass die Abhörungsrüge von vornherein chancenlos war, begann die Verfassungsbeschwerdefrist mit der letzten vorherigen Entscheidung des Gerichts, ist also möglicherweise schon abgelaufen.
Die Anhörungsrüge hat dabei eine besondere Bedeutung für das Verfassungsbeschwerdeverfahren: Auch eine Gehörsverletzung kann in der Verfassungsbeschwerde nur gerügt werden, wenn sie bereits Teil der Anhörungsrüge war.
Wird beispielsweise in der Anhörungsrüge nur vorgetragen, dass man im Schriftsatz Nr. 2 von einem Auto-Kaufvertrag zurückgetreten ist und das Gericht das nicht beachtet hat, dann ist das endgültig. Würde man in der Verfassungsbeschwerde auf einmal zusätzlich behaupten, dass das Gericht auch den Vortrag zum Motorschaden in Schriftsatz Nr. 5 ignoriert hat (vom dem in der Anhörungsrüge kein Wort stand), wäre die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da man insoweit nicht den gesamten Rechtsweg beschritten hat.
Professionelle Bearbeitung der Anhörungsrüge notwendig
Rechtsanwalt Thomas Hummel ist im Bereich der Verfassungsbeschwerden spezialisiert. Gerne unterstützt er Ihren bisherigen Rechtsanwalt bei der Formulierung der Anhörungsrüge. Dabei handelt es sich um eine Tätigkeit, die mit den Anwaltsgebühren für die Verfassungsbeschwerde abgegolten ist. Es fallen also keine weiteren Kosten für Sie an.
Wenn Sie unsicher sind, ob eine Anhörungsrüge notwendig und/oder sinnvoll ist, kann Rechtsanwalt Hummel dies gerne anhand der Verfahrensunterlagen vorprüfen und Ihnen dann eine sinnvolle Strategie darlegen. Es ist – wie dargelegt – sehr wichtig, hier keine Fehler zu machen.
Fragen und Antworten zur Anhörungsrüge:
Fachartikel bei anwalt.de:
- Die Einlegung der Anhörungsrüge
- Der Anspruch auf rechtliches Gehör in der Verfassungsbeschwerde
- Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs
(Letzte Aktualisierung: 08.04.2023)